„Köln braucht stärkeren ÖPNV“PolisMobility Camp präsentiert kreative Lösungen für die Verkehrswende

Lesezeit 4 Minuten
26.05.2023, Köln: Britta und Björn Paul aus Bonn testen einen "Microlino".

Britta und Björn Paul aus Bonn testen einen „Microlino“ auf dem PolisMobilitiy Camp in Köln.

Köln braucht die Verkehrswende – und sperrt dafür sogar die Ringe, zumindest vorübergehend.

Auf dem PolisMobilitiy Camp zwischen Rudolfplatz und Friesenplatz dreht sich an diesem Wochenende alles um alternative Fortbewegungsmittel und kreative Lösungen rund um einen neuen Autoverkehr. Viele Unternehmen sind präsent.

Wer auf den Straßen Kölns ein Fahrrad mit blauen Vorderreifen sieht, hat es zum Beispiel mit dem niederländischen Unternehmen Swapfiets zu tun. Von den Rädern gebe es in der Domstadt bereits bis zu 9.000 Stück, sagt Mitarbeiter Philipp Schmidt. „Das Fahrrad mietet man monatlich, der Service ist inklusive. Wenn etwas kaputt ist, wird es schnell repariert oder das Rad ausgetauscht.“

E-Scooter und Leihräder beim PolisMobility Camp in Köln

Kundinnen und Kunden könnten zwischen Hollandrädern, Tourenrädern, E-Bikes mit und ohne Schaltung wählen. „Die Zahl der Menschen, die in Köln das Angebot nutzt, wächst stetig. Viele steigen auch nur im Winter auf Swapfiet um, weil sie ihr eigenes Rad schonen wollen“, schildert er.

E-Scooter seien besser als ihr Ruf, findet wiederum Fritz Brors, City Developer bei Tier. Der Elektroroller-Verleih ist ebenfalls in Köln aktiv und trage so zur Verkehrswende bei. „Ein E-Scooter ersetzt Studien zufolge jede sechste Autofahrt“, meint Brors. „Und in 30 Prozent der Fälle wird ein Auto weniger als zwei Kilometer gefahren. Das ist genau die Strecke, die ein E-Scooter mit vollem Akku schafft.“ In Verbindung mit dem ÖPNV könnten sie ein wichtiger Baustein bei der Verkehrswende bilden.

Vorbild Düsseldorf: Parkzonen für E-Scooter auch in Köln?

Doch liegen die E-Scooter nicht oft im Weg herum? „Im Verhältnis zur Flotte sind das sehr wenige Fahrzeuge, auch die Zahl der Beschwerden geht zurück“, meint er. „Wir setzen uns bei der Stadt Köln dafür ein, dass wie in Düsseldorf Parkzonen für E-Scooter geschaffen werden.“

Die Hauptmesse der PolisMobility fand zwischen Mittwoch und Freitag in den Messehallen statt. Zum Rahmenprogramm des PolisMobility Camps auf den Ringen gehören Diskussionen und Vorträge auf einer Bühne, Science Slams, Workshops und Konzerte. Doch die meisten Aussteller auf der Messen-Meile sind kommerzielle Unternehmen.

Vor allem kommerzielle Anbieter bestimmen das Bild

Zwar gibt es den Stand des Verkehrsclubs Deutschland, der sich mit einem Bauwagen als Blickfang für eine sozial- und umweltgerechte Verkehrswende einsetzt. Ebenso hegen die Ehrenamtlichen im Anhänger der Deutschen Verkehrswacht hehre Motive.

Doch das Bild bestimmen Leihräder, E-Scooter und nicht gerade kleine Elektro-SUV, für die die Besucherinnen und Besucher in erster Linie Geld bezahlen müssten. Und Autos bleiben Autos, egal ob sie mit Strom oder Wasserstoff betrieben werden oder besonders platzsparend sind.

„Anti-Auto“ als Statement gegen zu viele parkende Autos

Es scheint, als sei der wirksamste Beitrag zu Verkehrswende die vorübergehende Sperrung der Ringe. Denn zwischen Rudolfplatz und Maastricher Straße lässt es sich wunderbar auf dem neuen Radstreifen radeln, ohne Autos liegt eine angenehme Ruhe über der Kreuzung.

Das scheint auch Fritz Specht so zu sehen, der sein „Anti-Auto“ mitgebracht hat: Eine Skulptur, deren Umrisse an ein Auto erinnern, in Wahrheit aber aus Gegenständen des Straßenverkehrs besteht. Die Basis bildet ein Wassertank, flankiert von zwei Stücken einer Leitplanke. Eine Treppe führt auf den Tank, zwei Verkehrsschilder hat der Künstler ebenfalls. Davor laden zwei Liegen zum Entspannen ein, das alles rot lackiert.

Traumreisen statt Fernreisen: Das „Anti-Auto“ lädt zum Verweilen ein

„Das Auto ist ein parkendes Mobil. Das Anti-Auto ist ein mobiler Park“, steht auf beiliegenden Zetteln. Denn wie wäre es, wenn es in der Stadt weniger Autos, aber mehr Freiraum gäbe? „Wenn man Autos anders gestalten würde, würden auch parkende Autos einen Beitrag zum Stadtraum nutzen. Deswegen sind hier verschiedene Elemente aus dem Stadtbild verbaut. Man kann darauf klettern, liegen oder es als Stehtisch nutzen.“, sagt Specht.

Sein utopisches Kunstwerk diene aber auch als ernst gemeinte Anregung, Autos anders zu gestalten, dass sie auch parkend nutzbar sind. Denn die meisten Fahrzeuge stünden 23 Stunden am Tag ungenutzt herum.

Besucher finden: Verkehr muss grüner und nachhaltiger werden

Verkehr müsse grüner und nachhaltiger werden, findet Besucher Severin Perscheid aus Ehrenfeld, der Verkehrsingenieurswegen und Mobilität studiert. „Sonst haben wir keine Chance, die Klimaziele zu erreichen.“ Er habe sogar die reguläre Messe in Deutz besucht. „Köln braucht mehr Fahrradinfrastruktur und einen stärkeren ÖPNV. Die Stadt macht aber schon sehr viel, wie mit den Radstreifen auf den Ringen.“ Insgesamt müsse die Zahl der Autos reduziert werden. „Wir bräuchten mehr Flächen für Fahrräder und Fußgänger“, so der 28-Jährige.

Das PolisMobility Camp läuft noch bis einschließlich Sonntag, zwischen Friesenplatz und Rudolfplatz ist die Straße für Autos gesperrt.

KStA abonnieren